Starke Quartiere, zukunftsfähige städtebauliche Strukturen und gute Nachbarschaften – das alles sind Ziele der Städtebauförderung. 1971 wurde das ambitionierte Programm von Bund und Ländern aufgelegt, um Städte und Gemeinden bei notwendigen Erneuerungsvorhaben zu unterstützen. In 50 Jahren setzten an die 4.000 Kommunen engagierte und vielschichtige Projekte um.
Die Komplexität von Stadtentwicklung zeigt das Beispiel Osnabrück. Die Stadt entwickelte im letzten Jahrzehnt 160 Hektar Fläche – ein riesiges Areal. Ein Teilprojekt war das Stadtumbaugebiet „Konversion Hafen“.
Das Beispiel „Konversion Hafen Osnabrück“
Alles begann, als im Jahr 2006 die britischen Streitkräfte entschieden, ihre Militärbasis in Osnabrück aufzugeben. Vier Standorte wurden bis 2009 geräumt, dazu kamen 1.350 Wohnungen und Unterkünfte. Die Stadt hatte plötzlich 160 Hektar brachliegende Konversionsflächen zur Verfügung, verteilt über die ganze Stadt. „Es brauchte beträchtliche Mittel, um die Umnutzung der Brachen zu finanzieren“, berichtet Anja Prüssner, sie ist Teamleiterin Stadterneuerung in Osnabrück. „Ohne die Städtebauförderung wäre das so zeitnah nicht möglich gewesen. Städte, die Hilfen benötigen, bewerben sich für das Programm. Wir haben ein ganzheitliches Konzept erstellt, in dem alle städtebaulichen Missstände und Entwicklungsziele aufgeführt waren, außerdem eine erste Maßnahmen- und Finanzierungsübersicht. Für die Aufnahme in die Städtebauförderung haben wir das Gesamtkonzept für alle Standorte beim Land Niedersachsen eingereicht. Bekommen haben wir dann zunächst eine Förderung für zwei Gebiete. Dazu gehörte der Stadtteil Hafen mit der Winkelhausenkaserne. Für die Reaktivierung des Fördergebiets mit 41,5 Hektar haben wir fünf Millionen Euro kalkuliert.“ Die Briten hatten die Winkelhausenkaserne 1945 vom deutschen Heer übernommen, bis ins Jahr 2008 war das Gelände als Kaserne genutzt und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. „Als wir mit den Planungen begannen, war es für uns Terra incognita“, erinnert sich Prüssner. „Die große Herausforderung war es, neue Nutzungen zu finden, die gut ins Stadtgefüge passen.“ Auf der Basis vorbereitender Untersuchungen, eines städtebaulichen Wettbewerbs und intensiver Einbindung der Bevölkerung entschied die Stadt Osnabrück, Dienstleistungen und Gewerbe auf dem Gelände anzusiedeln. Unter anderem die gute Anbindung mit drei Zugangsstraßen, Gleisanschluss und dem direkt angrenzenden Binnenhafen legte dies nahe.
„Mit der Aufnahme in die Städtebauförderung hat eine Kommune mittelfristig Finanzierungssicherheit. Ein weiterer großer Vorteil ist der ganzheitliche Ansatz der Förderung – man kann eine Vielzahl unterschiedlichster Einzelmaßnahmen durchführen.“ Anja Prüssner, Teamleiterin Stadterneuerung, Stadt Osnabrück
Eine Kaserne wird zum Gewerbegebiet
Im Jahr 2008 wird die Gesamtmaßnahme „Konversion Hafen“ in die Städtebauförderung „Stadtumbau West“ aufgenommen – und bis 2018 gefördert. „Angefangen haben wir dann mit einer detaillierten Planung und Untersuchungen, zum Beispiel Analysen des Bodens und des Gebäudebestands, auch das waren ja geförderte Einzelmaßnahmen. Dann ging es los. Wir haben Kampfmittel beseitigt, Projekte zur Bürgerbeteiligung gestartet. Es mussten Gebäude saniert und rückgebaut werden. Ein weiterer Schwerpunkt war die Verkehrsanbindung des Gebiets. Straßen, Gehwege, Fahrradwege und Stellplätze wurden realisiert. Für eine Erschließungsstraße musste eine Stützwand am Kanal gebaut werden.“ Prüssner betont die Vorteile des Programms. „Ist man in der Förderung, wird vieles finanziert, was das Projekt an Maßnahmen braucht. Die Fördermittel werden jedes Jahr neu mit konkreten Maßnahmen im Rahmen der bewilligten Gesamtförderung beantragt.“
Das Quartier ist ein Erfolg
Heute lebt das Quartier. In den Kasernen sind Landesbehörden angesiedelt, unter anderem das Finanzamt Osnabrück Land und eine Polizeidienststelle. Nach und nach wurden die Grundstücke für Gewerbe verkauft. Die Stadt realisierte einen Grünzug quer durch das Gelände, der zur Naherholung genutzt wird. Ein Umschlagplatz entstand, um Waren von der Straße auf die Schiene umzuladen. Auch zwei Speicher in der Kaserne, die erhalten wurden, fanden einen Käufer und neue Nutzerinnen. Im „leisen“ und im „lauten“ Speicher sind heute Proberäume, Büros und Start-ups untergebracht. Die Kreativ- und Kunstszene ist dort zu Hause, es gibt einladende Gastronomie. „Unser Hafen ist ein lebendiges Terrain“, erzählt Prüssner. „Wir haben den Umbau in nur zehn Jahren geschafft. Mit den kalkulierten fünf Millionen Euro sind wir ausgekommen.“
Städtebauförderung – ein lernendes Programm
Die Städtebauförderung hat verschiedene Schwerpunkte, wie die Nachnutzung von Flächen oder die Entwicklung von Quartieren. Stets ist das Ziel, ein Gebiet als Ganzes zu gestalten und aufzuwerten. NBankerin Susanne Thielebürger beschreibt die besonderen Anforderungen: „Aus Fördersicht sind städtebauliche Projekte einzigartig, weil sie so viele unterschiedliche Einzelmaßnahmen beinhalten. Beim Antrag liegt ein erster Kostenplan vor, im Projektverlauf ergeben sich jedoch neue Fragen, ein Ziel von heute kann sich morgen als Problem erweisen. Die Pläne ändern sich also, wir prüfen jeweils die förderrechtliche Seite. Solche Projekte laufen bis zu 15 Jahre. In Niedersachsen gibt es derzeit rund 300 Fördergebiete.“ Um das Programm an die heutigen Herausforderungen anzupassen, wurde die niedersächsische Städtebauförderung seit 2020 in drei übergreifenden Programmen zusammengefasst. Unter anderem werden umweltbezogene Maßnahmen noch stärker berücksichtigt.
„Es ist toll mitzuerleben, wie sich Orte und Quartiere entwickeln, so dass Menschen dort gerne leben oder arbeiten.“ Susanne Thielebürger, NBank