Ende 2021 erschien die aktuelle NBank-Wohnungsmarktbeobachtung. Sie ist ein Service für Investoren, Kommunen und alle mit Wohnen befasste Institutionen in Niedersachsen. Ausgehend von den Haushaltszahlen entwickelt die Studie konkrete Handlungsszenarien.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Wohnungsmarktbeobachtung?
Koschitzki: Den Wohnungsmarkt prägen vor allem drei Faktoren, die wir bereits kennen: der demografische Wandel, der Klimawandel und das Thema Bezahlbarkeit. Eine Folge ist, dass immer mehr Alleinwohnende mit Wohnungen zu versorgen sind. Das betrifft die Älteren und in den Städten auch jüngere Singles.
Hämker: Gleichzeitig verschärft sich die Lage am Wohnungsmarkt, weil Mieten und Kaufpreise steigen, während zugleich sozialer Wohnraum schwindet, weil Sozialbindungen auslaufen. Dies trifft besonders Haushalte mit nicht so hohen Einkommen, zum Beispiel Alleinerziehende mit Kindern und entsprechendem Wohnraumbedarf. Seit Ende 2021 gibt es deshalb die Möglichkeit, auslaufende Belegrechte anzukaufen, und so die soziale Bindung von Wohnraum zu erhalten.
Wie kann der vorgelegte Bericht helfen?
Koschitzki: Die Wohnungsmarktbeobachtung will den Blick für die kommenden Erfordernisse schärfen. Für die Kommunen und Investoren ist wichtig zu wissen, wie sich die Lage vor Ort entwickelt. Unser Bericht ist so konzipiert, dass dies gut erkennbar wird. Außerdem lässt sich unter Beachtung der Daten Förderung zielgenauer gestalten. Niedersachsen hat eine ausgesprochen attraktive Mietwohnraumförderung. Die soll ja bei den Menschen ankommen, die darauf angewiesen sind.
„Für viele Menschen wird die Miete zur Belastung. Wohnen bezahlbar zu halten, diese Herausforderung kommt immer stärker auf Städte und Gemeinden zu.“ Robert Koschitzki, NBank
Welchen Bedarf gibt es also im Land?
Hämker: Für Niedersachsen haben wir auf der Basis der Haushaltszahlen bis 2025 und 2040 vier Entwicklungstypen ermittelt, mit jeweils spezifischen Handlungsempfehlungen, die sich aus den genannten Entwicklungslinien ergeben.
Koschitzki: Vor spezifischen Herausforderungen stehen die Kommunen, die kurz- und langfristig wachsen. Viele junge Familien müssen mit preiswerten Wohnungen und Häusern versorgt werden, außerdem braucht es altengerechtes Wohnen. Neubau muss für die Bewohner nützlich sein, für das Klima neutral und wenigstens zu einem Teil für kleine und mittelgroße Portemonnaies auch bezahlbar. Neubau (ver)braucht Flächen. Bauland ist aber eine knappe Ressource. Die Flächenkonkurrenz, zum Beispiel mit dem Gewerbe, treibt den Bodenpreis. Sozialverträglicher Wohnungsbau wird hier besonders schwierig. Damit nicht nur besser gestellte Schichten Wohnungen bekommen, stellen Kommunen vermehrt verbilligtes Bauland zur Verfügung, wenn im Gegenzug ein Teil der neuen Wohnungen öffentlich gefördert entsteht.
Hämker: Aber neue Wohnungen machen nur einen Bruchteil des gesamten Wohnungsbestands aus, der ebenfalls klimafest und altengerecht gemacht werden muss. Sanierung, Nachverdichtung und netzgebundene Wärmeversorgung sind zu finanzieren. All diese Maßnahmen sind förderbar.
Was können Gemeinden tun, deren Wachstum endet?
Koschitzki: Schon bei Städten und Gemeinden mit langfristig stabilen Haushaltszahlen ist die Aufgabe eine andere, da geht es um Optimierung in bestehenden Strukturen. Neubau sollte hier fehlende, aber sinnvolle Wohnlösungen nur ergänzen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den bestehenden Wohngebäuden. Dabei genügt es nicht, energetisch und den jeweiligen Ansprüchen entsprechend zu ertüchtigen. Es braucht auch die Unterstützung für eine neue Sichtweise: Es muss nämlich nicht immer neu sein. Angepasster Wohnraum in gewachsenen Quartieren bietet oft mehr Wohn- und Aufenthaltsqualität als ein zunächst steriles Neubauviertel.
„Nicht nur für den Klimaschutz gilt es, Flächenfraß zu verhindern. Die Rückbesinnung auf belebte Ortskerne ist zugleich die beste Strategie, um dauerhaft attraktives Wohnen zu bieten.“ Sebastian Hämker, NBank
Es gibt zwei weitere Typen?
Hämker: Ja, Kommunen, die zunächst noch wachsen, dann aber Haushalte verlieren werden, stehen weit mehr vor der Aufgabe, ihrer Bevölkerung diesen Trendwechsel zu vermitteln. Denn er bedeutet ja notwendige Anpassung an den demografischen Wandel und den Klimawandel. Man sieht nicht, dass ein Ort demnächst schrumpft, das muss kommuniziert werden, um Akzeptanz für Entscheidungen zu bekommen.
Koschitzki: In vielen Kommunen im Land werden die Haushaltszahlen langfristig zurückgehen. Also könnte man meinen, Wohnraumentwicklung wäre hier nicht so dringlich. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch hier geht es um Bestandsoptimierung, um Quartiere attraktiv und stimmig zur Bevölkerung zu erhalten. Einer kurzfristig steigenden Wohnungsnachfrage sollte mit viel Augenmaß und eben nicht mit dem nächsten Neubaugebiet begegnet werden. Maßvolle Nachverdichtung oder Ersatzneubau im Ortskern, Programme wie „Jung kauft Alt“ und Strategien zur Vermeidung von leer stehenden Wohnungen sind hier das Gebot der Stunde. Ein Umdenken in diese Richtung ist nicht trivial.
Hämker: Vor allem in kleiner werdenden Gemeinden ist Rückbau ein Thema. Allerdings steckt in jedem Gebäude auch graue Energie. Für den Einsatz erneuerbarer Energieträger braucht es Wohnraum mit wirklich langfristiger Perspektive. Ersatzneubau sollte möglichst zentral entstehen, mit Zusatzangeboten wie Läden, Cafés, die die Nachbarschaft stärken. All dies müssen Verantwortliche bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Letztlich geht es bei der Wohnraumentwicklung immer um ein kluges Matching von Angebot und zukünftiger Nachfrage, um Menschen gutes Wohnen zu ermöglichen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
„Barrierefreiheit ist nicht nur für altengerechtes Wohnen relevant. Ebene Flächen und eine bequeme Zugänglichkeit aller Räume und ihrer Nutzungsmöglichkeiten bedeuten hohen Komfort für Menschen in jedem Alter und in jeder Lebenssituation.“ Lea-Melissa Vehling, NBank
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