Auch wenn die Inflationserwartungen für den Euroraum zum ersten Mal seit Langem spürbar zurückgehen (Experten-Umfrage des ZEW Mannheim), und damit auch der Anstieg der Baupreise etwas gebremst werden könnte, befindet sich der niedersächsische Wohnungsneubau auf Talfahrt.
Saisonbedingt ziehen zwar Auftragseingänge und Umsätze im Wohnungsbau an, die Zahl der Baugenehmigungen geht diesen Umschwung jedoch nicht mit. Im Gegenteil, der Ein- und Zweifamilienhausbereich rutscht 2023 von Monat zu Monat mehr ins Minus und erreicht zum Halbjahresende einen Wert von -39%. Knapp 7.500 Wohnungen sind 2.900 Wohnungen weniger als noch im ersten Halbjahr 2022.
Ähnlich sieht es im Geschosswohnungssegment aus. Hier bedeuten rund 9.650 genehmigte Wohnungen im ersten Halbjahr 2023 einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3.500 Wohnungen (-36%). Dazu kommt, dass die Baugenehmigungen bereits in 2022 um 17% gegenüber 2021 zurückgingen.
Wohnungsbaugenehmigungen ziehen bei saisonbedingtem Plus von Auftragseingängen und Umsätzen nicht mit
Damit erwartet die NBank-Wohnungsmarktbeobachtung bereits für das laufende Jahr deutlich weniger Baufertigstellungen als in 2022, das nach 20 Jahren mit 32.500 neuen Wohnungen eine neue Höchstmarke markierte. Vor allem im Ein- und Zweifamilienhaussegment werden 2023 voraussichtlich rund 4.000 Wohnungen weniger fertig gestellt. Im Geschosswohnungsbereich dürften es rund 2.600 Wohnungen weniger sein, so dass das Jahresergebnis nur noch 27.400 Wohnungsfertigstellungen umfassen wird. Ein Rückgang in ähnlicher Größenordnung könnte für 2024 ein Neubauergebnis unter 20.000 Wohnungen bedeuten.
Baufertigstellungen in Niedersachsen 2016 bis 2024
Wohnungsneubau ist nicht alles
Geht es um die Wohnungsbaukonjunktur, wird damit in der Regel der Wohnungsneubau assoziiert. Und in einer rein quantitativen Betrachtung scheint der Neubau in der Niedersachsensumme in der Tat die Wohnungsversorgung verbessert zu haben. Seit Ende 2011 wuchs der Wohnungsbestand laut amtlicher Fortschreibung um 300.600 Wohnungen auf 4.121.200 Wohnungen Ende 2022 an. Gleichzeitig nahm die Zahl der Privathaushalte laut amtlichem Mikrozensus „nur“ um 180.400 auf 4.009.000 Haushalte (Ende 2021) zu. Für 2022 schätzt die NBank-Haushaltsprognose einen deutlichen Zuwachs um weitere 27.000 Haushalte, so dass das Plus von Ende 2011 bis Ende 2022 bei rund 207.400 Haushalten liegen wird. Das bedeutet, dass das Wohnungsangebot um fast 100.000 Wohnungen mehr ausgeweitet werden konnte als die Wohnungsnachfrage – unter der Annahme, dass ein Haushalt je eine Wohnung nachfragt.
Dass die Marktsituation trotzdem in vielen niedersächsischen Städten und Gemeinden angespannt ist, liegt daran, dass sich Wohnungsbedarf und -neubau regional stark unterscheiden. Vor allem liegen von (Groß)Stadt zu Stadt zu ländlicher Gemeinde zum Teil fundamental andere Voraussetzungen vor. Zum Beispiel lässt sich Bauland auf dem Land (derzeit noch) leichter mobilisieren und zu niedrigeren Preisen erwerben als in den großen Zentren, wo kaum noch freie Flächen zur Verfü-gung stehen.
Zudem bedeuteten auch die starken Neubauaktivitäten vor allem der Jahre 2016 bis einschließlich 2022 mit durchschnittlich jeweils rund 30.000 Wohnungsfertigstellungen im Jahr lediglich einen jährlichen Bestandsaufbau um weniger als ein Prozent. Eine deutliche Veränderung weiter Teile des Gesamtwohnungsangebots in Richtung mehr bedarfsgerechter, klimafreundlicher und bezahlbarer Wohnungen ausschließlich durch Neubau dauert demnach Jahrzehnte. Daher muss der Umbau bzw. die Anpassung der Wohnungsbestände deutlich mehr in den Vordergrund rücken, wenn es um nachhaltige Wohnungsbauaktivitäten geht.
Handlungsempfehlungen für nachhaltige Wohnungsmarktentwicklungen liefert die im November 2023 erscheinende „Wohnungsmarktbeobachtung 2023“ der NBank. Hier finden Kommunen mit insgesamt hohem Wohnungsbedarf, nur mit (hohem oder geringen) Geschosswohnungsbedarf oder mit ausschließlich qualitativem (Zusatz)Bedarf Beispiele und Anregungen für gute Kommunikation, Planung und schließlich Investition im Wohnungsmarkt.