Frühstück für eine bessere Welt! – Das ist das Motto der drei Gründer Stefan Buchholz, Timm Duffner und Christian Schmidt, die 2017 in Lüneburg die soziale Bio-Müsli-Rösterei HEYHO gegründet haben. Bei HEYHO arbeiten Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensläufen und Talenten: Die Gründer wollen bewusst Teilhabe schaffen, für Menschen, die aufgrund Ihrer Biographie am Arbeitsmarkt keine Chance haben. Mit ihrem Konzept hat das Team von HEYHO auch die Jury des DurchSTARTer-Preis 2021 überzeugt. Wir haben ein Jahr später erneut mit dem Gewinner-Team gesprochen.
Hallo Christian Schmidt, stell dich und die Geschäftsidee von HEYHO unseren Leserinnen und Lesern zu Beginn gerne kurz vor.
Hallo, ich bin einer der drei Gründer von HEYHO – der sozialen Müslirösterei aus Lüneburg. Wir haben vor mittlerweile sechs Jahren die HEYHO GmbH gegründet und sind mittlerweile seit gut fünf Jahren im Verkauf. Gestartet sind wir mit dem Ziel, einen modernen Lebensmittelbetrieb aufzubauen, der mehr macht als einfach nur leckere Frühstücksprodukte zu produzieren. Durch unsere Arbeit schaffen wir fair entlohnte, unbefristete Arbeitsplätze für Menschen, die vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Wir stellen keine Menschen ein um Müsli zu rösten, sondern wir rösten Müsli um Menschen einzustellen. Und zwar Menschen, die aufgrund von Suchterkrankungen, psychischen Erkrankungen, Gefängnisstrafen und Co von unserer Arbeitswelt ausgeschlossen sind. An dieser Stelle wollen wir ansetzen und den Menschen in den Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit stellen. Müsli ist bei uns quasi nur Mittel zum Zweck. Wir produzieren und vertreiben unsere Frühstücksprodukte an unserem eigenen Standort in Lüneburg, wo wir unsere eigene Rösterei haben. Wir vermarkten unsere Produkte sowohl über einen eigenen Onlineshop, als auch über Handelspartner wie Alnatura Deutschland, dm Österreich, einzelne EDEKA-Kaufleute, Feinkost- und Hofläden sowie an Firmenkunden.
Wie seid ihr auf das Geschäftskonzept gekommen?
Mein Mitgründer Timm und ich haben uns während der Arbeit für die amerikanische Eiscrememarke Ben & Jerrys in Hamburg kennengelernt. Wir sind beide inspiriert von wertegetriebenen Unternehmertum, wie es die Marke Ben & Jerrys umsetzt. Am Ende eine Eiscreme-Firma, aber dahinter steckt viel mehr. Die Gründer wollen mit dem ihren Einnahmen die Welt besser machen als Sie ist. Das hat uns sehr inspiriert. Als Vorbild dient uns die Greyston Bakery aus den USA. Die Bäckerei ist auch ein Lieferant von Ben & Jerrys in den USA ist und stellt die ganz bewusst Menschen ein die sonst keinen Job finden. Die Greyston Bakery hat eine sogenannte Open-Hire-Policy, das heißt, wenn es einen freien Job in der Produktion gibt, wird eine Liste draußen ans Werkstor gehängt und Jobsuchende können sich in die Liste eintragen. Es gibt den Job sozusagen bedingungslos ohne Rückfragen, unabhängig vom Lebenslauf. Diese radikale Offenheit für Menschen kannten wir aus der Arbeit für Ben & Jerrys und fanden wir unglaublich inspirierend. Greyston ist mit seiner Arbeit wegweisend für das gewesen, was wir heute mit HEYHO in Deutschland umsetzen.
Wie ging es dann weiter und wie kam es zur Gründung?
Wir haben zur einen Zufall Stefan kennengelernt, der 16 Jahre lang den Herbergsverein, eine Einrichtung für wohnungslose Menschen in Lüneburg geleitet hat. Wir haben ihm von unserer ersten Idee erzählt, eine soziale Manufaktur zu gründen und ganz bewusst Menschen einzustellen, die vielleicht noch nie richtig gearbeitet haben oder die aufgrund von schwierigen Lebensläufen oder Brüchen in der Biografie, noch gar keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hatten. Stefan berichtete uns von seinen Erfahrungen aus der Wohnungslosenhilfe, von Begegnungen mit Menschen die unglaubliches Potential mitbringen, das aber keiner sieht. Eben weil diese Menschen aktuell in einer existentiellen Krise stecken. Oft mangelt es Menschen in einer Krise an einem Arbeitgeber, der Sicherheit gibt und Raum für die Entfaltung persönlicher Potentiale. Das Treffen mit Stefan war für uns die Initialzündung, aus einer bloßen Idee Wirklichkeit werden zu lassen um radikal anders zu wirtschaften.
Wie ging es dann für euch weiter?
Zu Beginn waren wir Untermieter in einer Lüneburger Mensaküche und haben die Geschäftsidee zunächst einen Tag die Woche getestet. Wir haben mit unseren ersten Angestellten in alten Öfen Müsli geröstet, mit unseren ersten Bio-Rohstoffen gemischt und versendet. Nach zwei Jahren Testphase haben wir gemerkt, dass die Produktqualität und die HEYHO-Story viele Menschen begeistert. Wir hatten zu dem Zeitpunkt gerade Alnatura Deutschland als Kunden gewonnen und mussten uns eingestehen, dass wir in den aktuellen Räumlichkeiten mit dem Produzieren nicht mehr hinterherkommen. Daher sind wir dann 2018 in unsere erste eigene (gemietete) Rösterei gezogen. Wir haben viel investiert, zum Beispiel in die ganzen Maschinen wie einen professionellen Ofen zum Rösten unserer Müsli-Kreationen. Da stehen wir jetzt, sechs Jahre später. Wir sind ein buntes Team von rund 25 Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebens-Hintergründen. Menschen, die über HEYHO über die Arbeit täglich in Kontakt kommen und voneinander lernen können. Menschen die sich ohne HEYHO wahrscheinlich nie begegnet wären. Kürzlich haben wir dreijähriges Jubiläum von einem unserer Mitarbeiter gefeiert. Er saß vorher acht Jahre lang in Haft, war 20 Jahre lang heroinabhängig und hat vorher noch nie drei Jahre am Stück in einem Betrieb gearbeitet, in dem er sein eigenes Geld verdient hat. Und das mit 51 Jahren. Das ist eine der Geschichten, von denen wir in Zukunft noch viel mehr erzählen wollen. Wir geben jedem Menschen erstmal einen großen Vertrauensvorschuss – die Erfahrung lehrt uns, das sich das auszahlt.
Welche Hürden gab es zu Beginn der Gründung?
Zu Beginn war da eine große Skepsis. Die meisten Start-ups aus dem Lebensmittelbereich produzieren nicht selbst. Wie sind aber überzeugt: die Produktqualität ist besser, wenn man die Dinge selbst produziert. Zudem wollten wir die Arbeitsplätze bei uns schaffen, nicht woanders. Die Hürden am Anfang waren, den Handel sowohl von unserer Idee, als auch von der Produktqualität zu überzeugen. Viele waren zu Beginn auch bei unserem Preispunkt kritisch. Die Menschen sind aber bereit, für hochwertige Bio-Lebensmittel aus einer sozialen Manufaktur einen höheren Preis zu bezahlen, wenn eben die Qualität stimmt. Und die liefern wir konstant. Zudem gab es anfangs Skepsis gegenüber der Belastbarkeit unserer Mitarbeitenden. Über flexible Zeitmodelle schaffen wir es aber, den individuellen Bedürfnissen der Menschen bei uns gerecht zu werden. Auch die Finanzierung war zu Beginn eine Hürde, die wir mit privatem Risiko gestemmt haben. Etwas später hat sich dann ein wertegetriebens Family Office an HEYHO beteiligt. Rückblickend sind wir froh, dass wir diesen Weg so gegangen sind. Gerade weil wir organisch wachsen, sind wir auch souverän in Krisenzeiten.
Ihr habt letztes Jahr den DurchSTARTer-Preis der NBank begonnen. Was hat der Preis für euch bedeutet?
Ein Teil des Preisgeldes ist in Personalausgaben geflossen, aber auch in einen gemeinsamen Ausflug mit dem ganzen Team zu unserer befreundeten Firma Werkhaus. Besonders nach der ganzen Corona-Zeit war es einfach schön, einen Anlass für ein großes Beisammensein zu haben. Der Preis gibt unserer Geschäftsidee nochmal eine andere Glaubwürdigkeit nach innen und außen. Zudem verschafft der DurchSTARTer-Preis auch einen Vorteil bei anderen Preisen. Wir waren zum Beispiel Finalisten für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Rubrik „Local Heroes“. Gerade im Bereich „Social Innovation“ ist es wichtig zu zeigen, dass Wirtschaftlichkeit und sozialer Impact kein Gegensatz sind. Der Preis hat auch eine gute Energie ins Team gegeben, einfach weil unsere tägliche Arbeit für ein inklusiveres Miteinander gesehen wird.
Ihr seid bereits erfolgreich am Markt. Welche Tipps kannst du den diesjährigen Teams beim DurchSTARTer-Preis mit auf den Weg geben? Was braucht es, um als Start-up durchzustarten?
Bleibt eurer Idee treu, seid fokussiert und haltet Widerstände aus. Es ist immer gut, viel Zeit ins Team zu investieren, achtsam miteinander umzugehen und viel miteinander zu sprechen. Ein guter Umgang miteinander ist wichtig. Auch nie den Spaß an der Sache zu verlieren. Gründen kann mit vielen Ängsten und Unsicherheiten verknüpft sein, denn es ist immer schwieriger, einen noch unbeschriebenen Weg zu gehen. Am Ende ist man – glaube ich - immer nur gut in den Dingen, wenn man Spaß daran hat. Zudem sollte man sich immer fragen, „was bringt unsere Idee als großes Ganzes für die Gesellschaft?“. Unternehmungen erst wirklich relevant, wenn durch ihre Arbeit ein gesellschaftliches Problem gelöst werden kann.
Vielen Dank für die guten Tipps und das Gespräch.