27.08.2018
Niedersachsens Wohnungsbau boomt – gemessen am Neubautief in den Jahren der Finanzkrise mit Nettoabwanderung. Vor zehn Jahren erreichte der jährliche Neubau in Niedersachsen gerade einmal die die Marke von 14.000 Wohnungen, das bisherige Allzeit-Tief in der Nachkriegsgeschichte.
Dagegen knüpfen die aktuellen Zahlen der Jahre 2016 und 2017 mit jeweils rund 29.000 Wohnungsfertigstellungen an die Phase vor der Finanzkrise an. Auch für 2018 und 2019 signalisieren aktuell steigende Genehmigungszahlen ähnlich starke Neubauaktivitäten. Das dies nicht selbstverständlich ist, zeigt der Blick auf Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Dort sind die Baugenehmigungen für das erste Halbjahr 2018 im Vorjahresvergleich zum Teil deutlich rückläufig, während die amtliche Statistik für Niedersachsen ein Plus in Höhe von sieben Prozent oder gut 2.000 Wohnungen verbucht.
Gesamtneubauaktivitäten beinahe im Soll
Damit wird in Niedersachsen der von der NBank für den aktuellen Fünf-Jahres-Zeitraum (2016-2020) prognostizierte Wohnungsbedarf in Höhe von rund 31.000 neuen Wohnungen p. a. annähernd umgesetzt, zumindest quantitativ. Denn die Zerlegung des gesamten Neubaus in die beiden Hauptsegmente Ein- bzw. Zweifamilienhausbau und Mehrfamilienhausbau offenbart durchaus Handlungsbedarf. Zwar wird auf der Basis ausreichender Baulandangebote und niedriger Kapitalmarktzinsen die Bedarfszielmarke im „Eigenheimsektor“ in Höhe von knapp 72.000 Wohnungen mit hoher Wahrscheinlichkeit beinahe punktgenau erreicht. Jedoch deckt der Geschosswohnungsneubau den Bedarf von fast 83.000 Wohnungen voraussichtlich nur zu drei Vierteln.
Immer noch zu wenig neue Geschosswohnungen
Die Gründe dafür sind vielfältig. Auch in Niedersachsen ist in den großen Zentren mit traditionell viel Geschosswohnungen geeignetes Bauland für neue Angebote knapp. Die anhaltend günstigen Refinanzierungsbedingungen werden konterkariert durch (über)ausgelastete Kapazitäten im Handwerk, in der Bauindustrie und bei den Planern (Architekten und Stadtplanung), die die Baukosten weiter stark ansteigen lassen. Dennoch nehmen die Neubauaktivitäten zu, weil Wohnimmobilien – vor allem an integrierten Standorten – als gute Kapitalanlage oder Altersvorsorge gelten und kaufkräftige Nachfrager dafür die höheren Kosten in Kauf nehmen.
Zu wenig zusätzliche bezahlbare Wohnungen
Insofern bereinigt der Markt (langsam) das rechnerische Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Schleichend geschieht dies jedoch zu Lasten des bezahlbaren Wohnungsangebots. Einerseits laufen aktuell sehr viele Sozialbindungen aus, weil die vertraglich vereinbarte Bindungsdauer erreicht wird. Dies trifft vor allem auf Wohnungen zu, die in großer Zahl nach der deutschen Wiedervereinigung und den damit verbundenen Wanderungen von Ost nach West mit öffentlicher Förderung neu errichtet wurden. Andererseits sorgen die anhaltend niedrigen Bauzinsen trotz gestiegener Baukosten immer noch für deutlich größere Renditen im frei finanzierten Wohnungsbau als im geförderten Segment mit gedeckelten Anfangsmieten.
Öffentlicher Diskurs führt zu verbesserter Förderung
Um die Wohnraumförderung für Investoren wieder attraktiver zu machen, wurden und werden die Förderbedingungen in Niedersachsen und vielen weiteren Bundesländern angepasst. Neben zinslosen Darlehen werden vermehrt Zuschüsse bzw. Tilgungsnachlässe vergeben und die anerkannten Baukosten steigen ebenso wie die Anfangsmieten. In Niedersachsen ist geförderter Mietwohnungsneubau seit 2016 wieder in allen Landesteilen möglich, wenn ein Wohnraumversorgungskonzept den Bedarf bestätigt. Das im April 2018 auf der Basis der bereits bestehenden „Konzertierten Aktion Bauen und Wohnen“ gegründete „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ erarbeitet aktuell konkrete Vorschläge, wie die Versorgung mit bezahlbaren Wohnungsangeboten im Land verbessert werden kann. Unter anderem ist eine weitere Verbesserung der Förderkonditionen zu erwarten, mit dem Ziel, den Rückgang der Sozialwohnungsbestände durch mehr neue Förderung abzufedern. Erste Ergebnisse des Bündnisses werden am 7. November 2018 auf dem „16. Wohnungspolitischen Kongress“ in Hannover vorgestellt.