Viele Branchen und Unternehmen im Land suchen Fachkräfte. Zugleich gibt es in Niedersachsen lebende Zugewanderte, die Arbeit oder eine Ausbildung suchen. 2021 startete das Wirtschaftsministerium das Programm „Start Guides“, um das Matching beider Seiten zu erleichtern.
Die Start Guides sind bei kommunalen Trägern, bei Volkshochschulen, kirchlichen und berufsbildenden Organisationen angesiedelt. Sie gehen vor Ort in Betriebe, die Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Auszubildende suchen. Zugleich unterstützen sie Menschen aus Drittstaaten mit oder ohne Fluchterfahrung sowie EU-Bürgerinnen und -Bürger bei der beruflichen Integration. Die Träger werden für ihren Einsatz zu 90 Prozent bezuschusst. Außerdem arbeiten sie mit Arbeitsagenturen, Jobcentern und bestehenden Initiativen vor Ort in einem Netzwerk zusammen Das Programm entstand aus einem Vorgänger, den „Überbetrieblichen Integrationsmoderatoren und -moderatorinnen“. Die Richtlinie lief aus, 2021 startete das Nachfolgeprogramm. „Wichtig war der Landesregierung, dass überall in Niedersachsen Anlaufstellen entstehen“, erklärt NBankerin Monique Lauterbach. „Zudem berücksichtigt das Programm Neuerungen durch das 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Bisher konnten wir nur Geflüchtete beim beruflichen Neustart unterstützen, nun sind es auch Fach- und Nachwuchskräfte aus Drittstaaten, die Arbeit suchen.“ Insgesamt 23 Start Guides sind im Land tätig; zwei akquirieren Fachkräfte im Ausland.
Die Koordination hinter den Start Guides
Als Back-up für die landesweiten Träger fungiert die Zentrale Beratungsstelle Arbeitsmarktintegration und Fachkräftesicherung, Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V. Die Koordinierungsstelle führt ein Zwei-Personen-Team. Dr. Barbara Weiser ist Rechtsexpertin, Carl Escher der Netzwerkkoordinator. Beide sind für das Vernetzen der Akteure, für die Bereitstellung benötigter Informationen und die Organisation des fachlichen Austauschs zuständig. Zu ihren Aufgaben gehört außerdem die Prüfung der halbjährlichen Fortschrittsberichte, mit denen die Start Guides den Fortgang ihrer Arbeit dokumentieren. Hierbei geht es um Hemmnisse und Erfolgsfaktoren bei der Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten. Über die gesammelten Erfahrungen zu den Bedarfen der Wirtschaft und der Menschen wird dem Wirtschaftsministerium berichtet. Die NBank nimmt die zuwendungsrechtliche Prüfung des Projektfortgangs vor.
„Es profitieren vor allem kleinere Betriebe, die kein Recruiting und keine Rechtsabteilung haben. Und wir unterstützen zugewanderte Menschen, die hier leben, das ist uns sehr wichtig.“ Carl Escher, Netzwerkkoordinator, Zentrale Beratungsstelle Arbeitsmarktintegration und Fachkräftesicherung, Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V.
Was wird vor allem nachgefragt?
Die Ausbildung und Beschäftigung Geflüchteter ist kein Selbstläufer. Soll ein Matching klappen, geht es um Themen wie das Anerkennen von Fähigkeiten ohne vergleichbare Abschlüsse. Es braucht Deutschförderung. Im ländlichen Niedersachsen findet sich nicht immer ein Sprachkurs. Gleichzeitig geht es um das Miteinander in der Firma und das Sensibilisieren für die unterschiedlichen Bedarfe. Ein großes Thema sind rechtliche Fragen. „Die spezifischen Bedarfe von Beratenden und Betrieben im Kontext der Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten sind uns unter anderem aus vorangegangenen Informations- und Beratungsprojekten bekannt“, berichtet Escher. „Mit diesem Wissen unterstützen wir – über die Start Guides – die Betroffenen. Geflüchtete Menschen stellen unter den beratenen Personen 75 Prozent. Auch viele Firmen fragen bei den Projekten Unterstützung nach, zum Beispiel, wenn Arbeitskräfte eine Duldung haben oder eine Förderung benötigt wird. Die Hälfte dieser Betriebe sind KMU mit unter 50 Beschäftigten.“ Trotz der Hürden hat sich in Niedersachsen die Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Geflüchteter in den letzten acht Jahren gut verfünffacht. Escher zur Lage am Arbeitsmarkt: „Den Fachkräftebedarf auch in Niedersachsen decken wir schon heute nur mit Zuwanderung. Vor allem in Engpassberufen sind Migrantinnen und Migranten nicht wegzudenken. In der Fleischverarbeitung stellen sie laut einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von allen Beschäftigten gut 60 Prozent, bei Berufskraftfahrern knapp 19 Prozent. Vor allem Geflüchtete beginnen anteilig häufiger als deutsche Staatsangehörige eine Ausbildung in einem Engpassberuf. Umso wichtiger ist, dass unsere Gesellschaft Integration als Aufgabe annimmt.“ Im ersten Projektjahr 2021 konnten mit Unterstützung der Start Guides 289 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen und 120 Ausbildungen angebahnt werden.
„Ein absolut sinnvolles Programm,das bei den Firmen und den angehenden Fachkräften großen Anklang findet.“ Monique Lauterbach, NBank